aus der Einladung:
Die an die Filmvorführungen anschließende Diskussion greift einige der im Rahmen der Zusammenarbeit aufgeworfenen Themen und Fragen - insbesondere im Hinblick auf die Rolle von Biografie und Affekt in der künstlerischen Auseinandersetzung mit (Post-)DDR-Geschichten und Identitäten - wieder auf.
aus den Notizen Vorgespräch:
- WW als Rahmen: Hintergrund (motivation für WW): könnten mit Fragen von Anna, Mareike, Alex an Suza und Elske anfangen?
Liebe Suza, liebe Elske,
Ihr habt 2017/18 das Projekt „Wildes wiederholen, Material von unten Künstlerische Forschung im Archiv der DDR Opposition“ ins Leben gerufen, von dem wir alle Teil geworden sind. Könnt ihr uns erzählen, worum es in diesem Projekt für euch ging und was eure jeweiligen Ausgangsfragen und Motivationen dazu waren?
Auf welchen Vorarbeiten beruht das Projekt?
Welche Relevanz hat für euch Künstlerische Forschung in Bezug auf die Aufarbeitung dissidenter Geschichten in der DDR?
Was ist für euch während des Projektes passiert?
Wie ist der Titel entstanden: wildes wiederholen? Was wiederholt sich, und was ist das Wilde daran? Geht es um Improvisation, einen unkonventionellen Umgang mit Archivmaterial, geht es um marginalisierte/ exotisierte Perspektiven?
Könnt ihr etwas zur gleichnamigen der Publikation sagen, die von euch in Zusammenarbeit mit Archive Books 2019 herausgegeben wurde.
(...)
Frage zurück an Anna, Alex, Mareike:
was ist für euch da passiert in dem kontext und in der verbindung?
- Kontamination, Angst, Stasi
Frage an alle: welche Gefühle habt ihr wahrgenommen im Rahmen der Archivrecherche und wie haben sie die Forschung/ den Film beeinflusst?
@Mareike, Alex:
– Sichtbarkeit/ Unsichtbarkeit ist der rote Faden durch eure filmische Erzählung. Wie kam es, dass Visualität so eine zentrale Rolle spielt für Euch?
– der Film "Sonne unter Tage" will nicht Ergebnis oder Dokumentation eines Forschungsprozess sein, sondern versucht mittels präziser/ poetischer Selbstreflexion mit dem Forschungsprozess selbst identisch zu bleiben. Worin besteht der größte Unterschied zwischen dem Herstellungsprozess und dem Filmerlebnis für Euch?
– Welches Medium steht für euch für die Ebene des Faktischen? Welches Medium überträgt die Fiktion?
– Wie nah seid ihr eurem Forschungsobjekt gekommen? Mit wem oder was ist die intensivste/ nachhaltigste Beziehung entstanden?
Frage an alle drei:
In beiden Filmen sind die Motive des Flimmerns bzw. des "Vibrierens hinter dem Licht", wie es in Sonne Unter Tage heisst, sehr präsent. Sie de-/materialisieren die Verbindung zwischen der Einschreibung bzw. dem Zerfall von Erinnerung und kontaminierten/nachstrahlenden Landschaften. Vielleicht lässt es sich zugleich auch mit der "historischen Unkenntlichkeit" in Verbindung bringen, in der die emanzipatorischen Praxen und Lebensentwürfe, die sich in der späten DDR entwickelten, dann in den 1990ern verschwanden.
Was bedeutet dieses Flimmern / Vibrieren für euch? Könnt ihr zu dieser Verknüpfung von affektivem/verkörpertem/biografischem (Nicht-)Wissen und politischen und ökologischen Umwelten etwas sagen? Ich spüre in dem Flimmern/Vibrieren hinter dem Licht auch etwas queerendes, weil Zeit, Raum, Wissen, Positionierung, Erinnerung entfestigt werden darin. Teilt ihr diese Wahrnehmung?
dazu vielleicht Frage an alle: zu den generationellen und biografischen Zugängen: bei Anna geht es viel um eine indirekte Erfahrung, die wie es unsere Projektkollegin Elsa Westreicher genannt hat, nachspukt. Wie ist das bei euch dreien, welche eigenen und erahnten Erfahrungen spielen bei euren Arbeiten einer Rolle?
Mit "wildes wiederholen" ging es uns ja allen auch ganz explizit darum, die Formen des Alltagswiderstands, der dissidenten Organisierungen, emanzipatorischen kulturellen und politischen Praxen ebenso wie ihren Leerstellen mit denen von Heute und von Morgen zu verknüpfen bzw. ihrem Fortleben nachzuspüren. Was von dem "material von unten" mit dem ihr gearbeitet habt und das ihr erarbeitet habt mit euren Filmen - also sowohl die ökologischen wie kulturellen und politischen Materialitäten aus Archiv und Umwelten - kann uns im Umgang mit dem aktuellen und akuten politischen Moment, in dem wir uns hier gerade befinden, helfen?
- Resonzprojekt von Anna (Anna sagt, es hat erst das Resonanzprojekt gebraucht um von Deponie zu Es gibt keine Angst zu kommen)
Anna: "Liebe Umwelt Es gibt da etwas das ich loswerden muss" war die Ausgangssituation
"Was ist passiert?" war die Leitfrage während der künstlerischen Forschung Resonanz, und heute würde ich meine Position vielleicht eher in einem Zitat zusammenfassen:
„Wir haben keine Revolution gemacht. Wir haben einen politischen Leichnam, der uns zu ersticken drohte, beerdigt.“
– Bärbel Bohley, Sept. 1990
@ Anna: Dein Film beginnt mit zwei Texttafel, die eine Art Eigenmotivation/Methodik beschreiben:
Ein erwachsenes Kind kommt wie durch Zauberhand in die Lage seine langersehnte Teilnahme and der Revolution nachzuholen. Im Archiv findet es heimliche aber wirksame Materie zur Reparatur der eigenen Gefühlswelt.
Kannst du etwas zu dieser erwachsenen Kinderperspektive in deinem Film sagen?
Welches Begehren steckt dahinter?
Inwiefern kann Archivarbeit heilsam und eine Reparation an der eigenen Gefühlswelt sein?
In deinem Film gibt es verschiedenste Formen des künstlerischen Ausdrucks und Gestaltens. Lyrik und Musik durchziehen den Film. In einer Passage beim Bemalen der Mauer sagt eine Interviewte es sehr deutlich. Die Mauer war ein Alptraum wenn die Mauer anmalen können, rechnen wir mit dem Alptraum ab und kämpfen gegen die Angst an. Kannst du etwas zur Rolle von Gestaltung und künstlerischen Ausdruck in deinem Film sagen?
Ist dieser Ausdruck auch eine Form der Dissidenz?
Was heißt: Es gibt keine Angst?
Vielleicht Frage an Suza und Elske: Was versteht ihr unter Dissidenz?
Frage an alle:
Welche Rolle hat Wissen "von unten" oder "dissidentes Wissen" in eurer Arbeit gespielt? Seht ihr Parallelen oder Verbindungen zwischen diesen Formen des Wissens und Forschens und eurer künstlerischen Forschung?
@ Anna: Dein Schnitt scheint weniger logisch als intuitiv und somatisch. Gesten und Satzfetzen werden zusammengeschnitten, schwarz weißes Flackern berührt meinen Körper.
Wie hast du geschnitten, was war dir darin wichtig?
Weitere mögliche Fragen oder vielleicht übergreifend:
> wie im DDR-Diskurs-Positionierung: Projektionen auf den Osten
auch vor dem Hintergrund des sich verändernden Diskurses zur DDR ab 2019
- Rolle von Wissensproduktion von unten / dissidentes Wissen in den beiden Filmarbeiten
>> wie verhält sich das zu "künstlerischer Forschung" in unser aller Praxen?